Maskenpflicht an Schulen birgt eine Unzahl von offenen Fragen

Von: Christof Pollak - Die Öffnung der Schulen für die Mehrheit aller Schüler ab 18. Mai wird von Empfehlungen begleitet, die nicht ganz nachvollziehbar erscheinen und denen eine gesetzliche Grundlage offenbar fehlt

Photo: Polina Tankilevitch / Pexels
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In der Schule herrscht ab der Wiederaufnahme des Schulbetriebes außerhalb des Klassenzimmers Maskenpflicht. Schüler sollen laut der kommunizierten „Regeln“ Mund-Nasen-Masken tragen, wenn sie das Klassenzimmer verlassen, also in der Pause auf Gängen, Toiletten, bei der Kantine. Die Eltern sollen ihren Kindern Masken mitgeben. Diese oder ähnliche Anweisungen haben in den letzten Tagen Eltern der betroffenen Schülergruppen erhalten.

Vielfach ratlose Eltern

Viele Eltern begrüßen eine Maskenpflicht und basteln selbst Masken und tauschen sich darüber in Elternforen aus. Andere fragen sich: wozu diese Regelung? Ist eine Verbreitung des Coronavirus denn nur mehr in der Pause möglich und in der eigenen Klasse nicht? Wie hygienisch ist es, wenn mein Kind die Maske mehrfach am Tag auf- und abnimmt? Können Kinder unter 14 Jahren Masken überhaupt sinnvoll und sicher aufsetzen, tragen und aufbehalten? Darf ein Lehrer hierbei helfen, ohne den Mindestabstand zu unterschreiten? Was, wenn es durch die Maske zu Verletzungen kommt, etwa beim Spielen oder gar beim Raufen? Warum darf der siebenjährige Volksschüler seine fünfjährige Schwester, die im Kindergarten im selben Gebäude untergebracht ist, in der Pause nur mehr mit Maske sehen, daheim aber ohne? Warum sollen unter Sechsjährige gar keine Maske tragen? Ist das durchgehende Maskentragen für mein Kind vielleicht nicht gesund? Kann es Schäden erleiden durch eine permanente Co2 Rückatmung, durch sich ansammelnde Bakterien? Wie sind die sozialen und psychischen Auswirkungen? Fragen über Fragen und man hat den Eindruck, es bleiben die meisten offen.

Will man diese neuen Regeln dennoch ernst nehmen, erkennt man jedenfalls, dass Schüler derzeit die einzige Bevölkerungsgruppe in Österreich sind, die im Freien (z.B. beim Betreten des Gebäudes) Masken tragen sollen. Die Gründe dafür erscheinen wenig nachvollziehbar, wenn man davon ausgeht, dass das Ansteckungsrisiko anscheinend nicht mehr so groß ist, dass Schulen geöffnet werden können. 

Maskenpflicht für Schüler: offene Rechtsfragen

In Österreich gibt es seit 1.10.2017 prinzipiell ein Vermummungsverbot. Das Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz verbietet es an öffentlichen Orten und in öffentlichen Gebäuden, wozu auch Schulen zählen, seine Gesichtszüge durch Kleidung oder andere Gegenstände in einer Weise zu verhüllen oder zu verbergen, dass sie nicht mehr erkennbar sind. Ein Verstoß liegt nur dann nicht vor, wenn die Verhüllung oder Verbergung der Gesichtszüge durch Bundes- oder Landesgesetz vorgesehen ist, im Rahmen künstlerischer, kultureller oder traditioneller Veranstaltungen oder im Rahmen der Sportausübung erfolgt oder gesundheitliche oder berufliche Gründe hat. Unklar ist, wie sich diese im Gesetzesrang stehende Norm zu den Empfehlungen an die Schulbehörden verhält.

Recht auf körperliche Unversehrtheit

„Jeder Mensch hat angeborne, schon durch die Vernunft einleuchtende Rechte, und ist daher als eine Person zu betrachten. Sclaverey oder Leibeigenschaft, und die Ausübung einer darauf sich beziehenden Macht, wird in diesen Ländern nicht gestattet“, bestimmt noch etwas altertümlich formuliert § 16 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB).  Diese Bestimmung ist Grundlage vieler Persönlichkeitsrechte im Privatrecht. Der Grundgedanke ist das Selbstbestimmungsrecht des Menschen, wie es im absolut geschützten Recht auf körperliche Unversehrtheit (Art 2 EMRK; §§ 1325ff ABGB) und der (Willens-)Freiheit zum Ausdruck kommt. Als Folge dieser absolut geschützten Rechtsgüter ist auch jeder urteils- und einsichtsfähige Mensch gesundheitlich selbstbestimmt. So können etwa urteils- und einsichtsfähige Jugendliche (in der Regel ab 14 Jahren) nur selbst in medizinische Heilbehandlungen einwilligen. Bis zu diesem Zeitpunkt entscheiden dies die Obsorgeberechtigten (in der Regel die Eltern).

Wie ist das Maskentragen, das ja unbestritten nur aus gesundheitlichen Gründen erfolgen soll, rechtlich einzuordnen? Muss oder kann man vom weiten rechtlichen Begriff der medizinischen Behandlung ausgehen, der an und für sich auch prophylaktische gesundheitsbezogene Maßnahmen umfasst? Müsste man dann nicht auch über Risiken und Nebenwirkungen informieren? Müssten dann nicht etwa auch alle urteils- und einsichtsfähigen Menschen in eine solche vorbeugende Maßnahme einwilligen?

Geht man davon aus, dass Mund und Nase abdeckende Gesichtsmasken nicht von vorn herein völlig ungefährlich sind, sondern das Tragen unter Umständen auch gesundheitliche (körperliche oder psychische) Risiken mit sich bringen kann, so scheint es jedenfalls geboten, solche Risiken gegen den potentiellen Nutzen – der Vermeidung weiterer Neuinfektionen -  abzuwägen. Eine gesetzliche Grundlage, die überprüfbar die Überlegungen des Gesetzgebers ausdrückt, wäre hier zumindest wünschenswert.

Hygienehandbuch mit fraglicher Rechtsnatur

Ein Gesetz betreffend die Maskenpflicht an den Schulen gibt es bis dato soweit überblickbar nicht. Auch keine kundgemachte Verordnung. § 11 Abs 3 der COVID-19-Lockerungsverordnung – COVID-19-LV (BGBl II 197/2020) bestimmt nur, dass Kinder unter sechs Jahren nicht zum Tragen einer den Mund und Nasenbereich abdeckenden mechanischen Schutzvorrichtung verpflichtet sind. Ebenso besteht keine Pflicht für Personen, denen aus gesundheitlichen Gründen das Tragen der Mund- und Nasenbereich abdeckenden mechanischen Schutzvorrichtung nicht zugemutet werden kann. Die Lockerungsverordnung findet aber nach § 11 Abs 1 Z 1 auf Schulen keine Anwendung.

Allerdings hat das Bildungsministerium ein Hygienehandbuch zu COVID-19 herausgegeben, das sich in seinem ersten Teil dem Schutz vor einer COVID-19-Ansteckung in elementarpädagogischen Einrichtungen und Schulen widmet. Die Rechtsnatur dieses Hygienehandbuchs ist fraglich. Im Hygienehandbuch selbst ist davon die Rede, dass sich darin „Empfehlungen“ finden. Die Leiterinnen und Leiter der Bildungsinstitutionen werden seitens des Ministeriums um Umsetzung der angeführten Maßnahmen ersucht.

Seitens der Bildungsdirektion Kärnten wurde freilich die Ansicht vertreten, dass dieses Hygienehandbuch auch verbindliche Anweisungen enthalte und daher insoweit als Erlass zu werten sei. Bei Durchsicht finden sich in der Tat als Anordnung formulierte Texte. So liest man dort etwa, dass „Ausflüge oder Feste, welche Kontakte mit externen Personen zur Folge haben, […] nicht in Anspruch genommen oder durchgeführt werden [dürfen]“. An anderer Stelle wird auf Folgendes hingewiesen: „Alle Personen, die sich im Schulgebäude bewegen, müssen einen Mund-Nasen-Schutz tragen“.

Als Erlass bezeichnet man meist eine generelle Weisung, also eine verbindliche Rechtsnorm, mit der die amtliche bzw. dienstliche Tätigkeit nachgeordneter Verwaltungsorgane geregelt wird. Von Verordnungen unterscheiden sich solche Weisungen dadurch, dass sie nur den Innenbereich der Verwaltung betreffen. Verordnungen ergehen demgegenüber im Außenverhältnis und gestalten subjektive Rechte und Pflichten der Adressaten. Anordnungen, die zwar formell nur an die Verwaltung gerichtet sind, jedoch Rechtswirkungen für Privatpersonen haben, werden vom Verfassungs­gerichtshof regelmäßig als Verordnung eingestuft und folglich aufgehoben, weil sie nicht in der für Verordnungen vorgeschriebenen Form kundgemacht wurden.

Dürfen Lehrer das Tragen von Masken anordnen?

Fraglich erscheint, ob Lehrer im Rahmen der nach § 51 Abs 3 Schulunterrichtsgesetz an sie delegierten Aufsichtspflicht, wonach sie insbesondere auf die körperliche Sicherheit und auf die Gesundheit der Schüler zu achten und Gefahren nach Kräften abzuwehren haben, befugt oder sogar verpflichtet sind, Kindern, gesundheitsbezogene Maßnahmen, wie das Tragen von Gesichtsmasken anzuordnen? Offen bleibt auch, ob Schulen im Rahmen ihrer Hausordnung eine Maskenpflicht anordnen können und was mit Schülern oder Eltern passiert, die sich z.B. aus konträren gesundheitlichen Überlegungen daran nicht halten? Ist es dann ausreichend, dass Eltern sich darauf berufen, dass ihren Kindern das Tragen der Vorrichtung aus gesundheitlichen Gründen (z.B. Asthmatiker, Panik, etc.) nicht zugemutet werden kann? Und: können schulpflichtige Schüler wegen Nichttragens der Masken vom Unterricht ausgeschlossen werden?

Fazit: Klare gesetzlich Grundlage muss her

Eine gesetzliche Grundlage für das verpflichtende Tragen von Schutzmasken für Schulkinder ist offenbar nicht vorhanden. Unsicherheit besteht daher darüber, wer für wen entscheiden darf, ob eine Maske getragen werden muss oder getragen werden darf. Wo endet das Selbstbestimmungsrecht des Kindes bzw. der Eltern? Eingriffe in absolut geschützte Rechtsgüter, wie das Recht auf körperliche Unversehrtheit und Persönlichkeitsrechte allgemein bedürfen einer klaren gesetzlichen Grundlage.