Treffen von vier Personen ist noch keine Veranstaltung

Von: Bernhard Fink - Der Nationalrat soll demnächst über einen vom Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz versendeten Gesetzesentwurf betreffend Änderungen des Epidemiegesetzes 1950 und des COVID-19-Maßnahmengesetzes beraten und beschließen. Dem vorliegenden Gesetzesentwurf fehlt jedoch eine allgemeine Begründung, weshalb gerade die darin vorgesehenen Änderungen notwendig, angemessen, zielführend und verhältnismäßig sein sollen. Insgesamt erscheinen einige der vorgeschlagenen Änderungen grundrechtlich problematisch und ist es letzten Endes auch fraglich, ob sie insgesamt zielführend sind. Auch ist es nicht erklärbar, weshalb nach mehr als einem Jahr der Pandemie und insgesamt neun Änderungen des Epidemiegesetzes wiederum Änderungen notwendig sind, um hier entsprechend im Wege von Verordnungen reagieren zu können. Dies betrifft auch das COVID-19-Maßnahmengesetz. Auch diesbezüglich gab es schon vielfach Novellierungen.

Nicht nachvollziehbar ist die vorgesehene Definition einer Veranstaltung im geplanten § 15 Abs 1a Epidemiegesetz. Gemäß dieser Bestimmung soll es als Veranstaltung gelten, wenn zumindest vier Personen aus zumindest zwei Haushalten zusammenkommen. Tatsächlich liegt jedoch bei einem Zusammentreffen von vier Personen aus zumindest zwei Haushalten noch keine Veranstaltung vor, sodass der Veranstaltungsbegriff diesbezüglich ins Leere geht. Vornehmlich sind unter Veranstaltungen öffentlich zugängliche Darbietungen zu verstehen. Normalerweise meint man damit Theater und Schauspiel, aber auch sportliche und sonstige Events. Inhaltliches Merkmal ist dabei, dass es sich um öffentliche Darbietungen handelt, die der Unterhaltung, persönlichen Erbauung oder Information des einzelnen Teilnehmers dienen.

Ohne dass weitere Elemente hinzutreten, ist die bloße Zusammenkunft von zumindest vier Personen aus zumindest zwei Haushalten anders als im Entwurf vorgesehen wohl keine Veranstaltung und kann auch nicht ernsthaft als solche bezeichnet werden.

Nach Ansicht der Initiative für Grund- und Freiheitsrechte kann mit den bisher vorgesehenen Strafbestimmungen das Auslangen gefunden werden. Die Ausdehnung auf eine Geldstrafe von bis zu 30.000 Euro erscheint nicht sachgerecht und auch nicht notwendig. Dies gilt umso mehr, als den betroffenen Beschuldigten auch die Einhaltung der Abstandsregel und das Tragen einer FFP2-Maske nicht hilft.

Nicht akzeptabel ist es, wenn die Bezirksverwaltungsbehörde erst spätestens nach zwölf Monaten ab Einlangen eines Antrages auf Vergütung des Verdienstentganges entscheiden muss. Vielmehr soll und muss die im § 73 AVG grundsätzlich vorgesehene Entscheidung ohne unnötigen Aufschub, längstens jedoch binnen sechs Monaten ab Einlangen des Antrages, ausreichend sein.

Kritisch sieht die Initiative für Grund- und Freiheitsrechte auch die Möglichkeit, durch Verordnung zu bestimmen, dass Betriebsstätten, bestimmte Orte oder Alten- und Pflegeheime sowie stationäre Wohneinheiten der Behindertenhilfe mit Ausnahme von Betriebsstätten oder bestimmten Orten, die der Deckung notwendiger Grundbedürfnisse des täglichen Lebens dienen, von Kunden bzw. Besuchern nur dann betreten werden dürfen, wenn ein negatives Testergebnis auf SARS-COV-2 nachgewiesen wird oder eine ärztliche Bestätigung über eine bereits abgelaufene Infektion vorliegt. Es soll daher die Regelung beibehalten werden, dass in der Verordnung vorgesehen werden kann, dass das Tragen einer Atemschutzmaske der Schutzklasse FFP2 für bestimmte Berufsgruppen jedenfalls auch weiterhin als Alternative zu einem Nachweis eines negativen Testergebnisses möglich bleibt.    

Entwurf wirft mehr Fragen auf als beantwortet werden

Bisher durften Ausgangsbeschränkungen (und -sperren) nur verordnet werden, um einen drohenden Zusammenbruch der medizinischen Versorgung oder ähnlich gelagerte Notsituationen zu verhindern. Künftig soll es ausreichen, wenn es sonst zu einer nicht mehr kontrollierbaren Verbreitung des Virus käme. Dies liegt nach den vorliegenden Gesetzesmaterialien dann vor, wenn Maßnahmen des Contact-Tracings nicht mehr greifen. Im Hinblick auf die Massivität des durch Ausgangsbeschränkungen und Ausgangssperren bewirkten Grundrechtseingriffs ist zu fordern, dass vor deren Anordnung jedenfalls alle übrigen Maßnahmen, die zweckmäßig und zielgerichtet sind, ausgeschöpft werden müssen. Zudem ist zu berücksichtigen, dass das Scheitern eines Contact-Tracings auch Ursachen haben kann, die nicht von den Betroffenen, sondern vom Staat zu verantworten sind (z. B. unzureichende Personalausstattung, fehlende EDV-Unterstützung). Daher ist es vor allem erforderlich, hier ausreichend Personal einzusetzen, dieses entsprechend zu schulen und organisatorische Mängel hintanzuhalten. Dies ist auch transparent zu machen und entsprechend nachzuweisen.

Insgesamt gesehen wirft der Gesetzesentwurf mehr Fragen auf als beantwortet werden. Die auf Basis der gesetzlichen Änderungen (so diese beschlossen werden) erlassenen Verordnungen wird man sich genau ansehen müssen. Dies einerseits dahingehend, ob sie im Gesetz Deckung finden, andererseits aber auch, ob unverhältnismäßige Grundrechtseingriffe vorliegen. Es ist nämlich danach zu fragen, ob die Situation und die Grundrechtsabwägung einen konkreten Eingriff erforderlich machen, oder ob hier andere und gelindere Mittel vorhanden wären, die weniger massiv in die verfassungsmäßigen Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger eingreifen.